„Wenn man die Klimarisiken falsch einschätzt, wird man in Zukunft keinen Zugang zu Kapital erhalten, keine Versicherungen bekommen und Stresstests durchführen müssen, um zu beweisen, dass man ein widerstandsfähiges Unternehmen ist“, so Alexander. „Diese Gespräche werden von der Versicherungsbranche, den Zentralbanken und den Kapitalmärkten geführt. Das für die Kapitalmärkte grundlegende Risikoverständnis ist ein sehr wirkungsvolles Instrument für Veränderungen im Unternehmenssektor, denn der Zugang zu Kapital wird in Zukunft nicht nur davon abhängen, ob ein Unternehmen widerstandsfähig ist, sondern auch davon, ob das Unternehmen den Übergang in die Klimaneutralität schafft. Die Prämie, die Kapitalkosten, werden einfach höher sein, wenn Investoren bei der Prüfung eines Geschäftsmodells zu dem Schluss kommen, dass sie ein hohes Risiko eingehen, einen Vermögenswert zu halten, der durch den Übergang an Wert verliert“, so Alexander.
Leitende Unternehmensjuristen verfolgen diese Entwicklungen besonders aufmerksam, denn es ist zu erwarten, dass sie bei der Reaktion der Unternehmen auf die Krise eine zentrale Rolle spielen werden. Zum einen ist es eine juristische Angelegenheit: Die national festgelegten Beiträge (nationally determined contributions/NDCs), auf die sich die Nationen auf der COP26 einigen werden, um ihre CO2-Emissionen zu reduzieren, werden schließlich ihren Weg in nationale und internationale Gesetze, Verträge und Vorschriften finden.
Aber es gibt noch eine grundlegendere Aufgabe für leitende Unternehmensjuristen: Unternehmen müssen im Rahmen ihrer Risikoanalysen einschätzen, wie groß das aus der Klimakrise resultierende Risiko in diversen Bereichen ist und welche Maßnahmen es mindern können. Watson zufolge fällt dies genau in den Kompetenzbereich von Unternehmensjuristen: „Die Aufgabe eines Anwalts besteht darin, dafür zu sorgen, dass der Vorstand eines Unternehmens die Risiken, mit denen es konfrontiert ist, richtig einschätzt und versteht. Ich denke, es ist eine große Verantwortung und eine große Chance für Unternehmensjuristen, diesen Einfluss auszuüben und ihr Unternehmen und ihre Organisation bei der Umstellung zu unterstützen.“
„Es ist wahrscheinlich, dass die Risiken des Klimawandels nicht langsamer, sondern schneller zu Tage treten werden als erwartet, und Anwälte sind gut darin, Risiken zu identifizieren und zu analysieren“, betont Watson.
Eine große Herausforderung für Unternehmen besteht zunächst darin, sich überhaupt erst einmal darüber klar zu werden, wie groß ihr Anteil an dem Problem ist. Eine bessere Datengrundlage zu schaffen sei daher die erste große Hürde, so Watson: „Die Menge an Informationen über die Auswirkungen von Geschäftsaktivitäten auf die Umwelt nimmt ständig zu, aber im Vergleich zu anderen klassischen Leistungskennzahlen wie Gewinn und anderen Finanzkennzahlen sind die Klimainformationen zweifellos wesentlich vielfältiger und uneinheitlicher. Man könnte sagen, dass es über 2.000 verschiedene Möglichkeiten gibt, Klimaauswirkungen zu messen.“
„Es gibt viele wirklich nützliche Initiativen, die sich jetzt beschleunigen, wie beispielsweise die Task Force for Climate Related Financial Disclosures und vergleichbare Initiativen, die einen enormen Unterschied machen, indem sie bessere, vollständigere Informationen zusammentragen, auf deren Grundlage die Vorstände und ihre Stakeholder Entscheidungen treffen können“, so Watson.
Watson hält es für das Wichtigste, in Systeme und Prozesse zu investieren, um entsprechende Informationen zu sammeln und sich klare und messbare Ziele zu setzen, die realistisch sind. Watson: „Es gibt einige großartige Beispiele für die Veröffentlichung klarer, erreichbarer Ziele, die alle auf die ultimative Klimaneutralitäts-Herausforderung ausgerichtet sind und wirklich ein herausragendes unternehmerisches Verhalten gefördert haben, so dass Transparenz und Messbarkeit im Mittelpunkt stehen, kombiniert mit einem klaren und umsetzbaren Aktionsplan.“